Die Holzschnitzkunst von der Osterinsel
Die Holzschnitzkunst von der Osterinsel:
Kurzbeschreibung:
Die Holzschnitzkunst von der Osterinsel ist sehr vielfältig
und von der Form und Machart als solche klar zu erkennen. Welche
Bedeutung die einzelnen Objekte haben, versuchen Autoren wie "Dederen
Francois", "Eric Kjellgreen" oder auch "Thor
Heyerdahl" in ihren Büchern bis ins Detail zu erklären.
Dennoch bleiben Fragen, die kein Wissenschaftler bis heute beantworten
kann.
Auf dieser Website werden 12 verschiedene Kunstgegenstände
aus Holz vorgestellt. Hierbei wird versucht, nicht nur die einzelnen
Artefakte in sich vorzustellen, sondern sie auch in den Bezug
zum geschichtlichen Kontext zu bringen.
Quelle:
- "Die Kunst der Osterinsel, Geheimnisse und
Rätsel", Thor Heyerdahl, 1975
- "Rapa Nui art and aesthetics" Adrienne L. Kaeppler
und Eric Kjellgreen, 2002
- "Corpus - Rapa Nui", Dederen Francois "Te Pito",
2013
- "Island at the End of the World - The turbulent History
of Easter Island", von Steven R. Fischer, 2005,
- "The Mystery of Easter Island", Routledge, 1919
- "Ethnologie der Osterinsel", Alfred Métraux
1957,
- "Grundlagen zur Entzifferung der Osterinselschrift",
Thomas Barthel, 1958,
Die Holzschnitzkunst von
der Osterinsel:
Die Osterinsel-Kultur hat ganz unterschiedliche Kunstgegenstände
aus Holz hervorgebracht. Obwohl einige Artefakte sich von der
Machart sehr ähnlich sehen, hatten sie doch sehr unterschiedliche
Funktionen. Die Statuetten aus dieser Kunst wurden [ausgehend
von der Holzart] allgemein "Moai toromiro"
(hölzerne Bildnisse) genannt.
Nr.: |
Kultgegenstand: |
Bedeutung: |
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1. |
"Moai Kavakava":
Von den hölzernen Artefakten ist die
anthropomorphe Moai-Kavakava-Figur wohl die bekannteste
Darstellung. Diese Statuetten sollen einer Legende zufolge
das Abbild unruhiger aku-aku-Geister zeigen, die auf der
Insel umherwandern und versuchen, in die Körper von
vornehmlich schlafenden Menschen einzudringen. Die Legende
erzählt weiter, die aku-aku Geister würden aber
jeden Ort meiden, an dem sich eine derartige Statuette aufhält,
weil sie fürchteten, bei deren Anblick ihre Kraft zu
verlieren. Deshalb waren die Moai Kavakava stets als Schutzfiguren
in den Paenga-Hütten zu finden.
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Statuette,
die die Geisterwelt von Verstorbenen als "Aku-Aku"
darstellt.
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2. |
"Moai Tangata":
Die Tangata-Statuette zeigt das vollplastische
Abbild eines Mannes, das möglicherweise eine ähnliche
Funktion auszuüben hatte wie die Moai als Ahnenbilder
auf den Ahu-Anlagen. Auf den Köpfen der Moai-Tangata
befindet sich die Darstellung eines immer gleichen anthropomorphen
Fabelwesens (unterschiedlicher Ausschmückung) mit menschlichen
Gesichtern, Ohren und Bärten, aber auch Flossen eines
Meeresbewohners. |
Statuette,
die einen Verstorbenen darstellt. Die "Moai-Tangata"-Figuren
sind sehr selten.
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3. |
"Moai Papa":
Die Moai Papa Statuette zeigt eine weibliche
Menschengestalt mit einem dreidimensionalen Kopf und flachem
Körper. Brüste und Vulva sind lediglich eingeritzt,
die Hände sind eingeritzt, aber ähnlich wie bei
den steinernen Moai deutlich ausmoduliert. "Papa"
heißt übersetzt Flache Ebene und ist möglicherweise
eine Anspielung auf Mutter Erde. Der bei diesen Statuetten
vorhandene Kinnbart deutet auf eine hochgestellte weibliche
Persönlichkeit hin, deren ursprüngliche Mana eine
ähnliche Schutzfunktion ausüben sollte wie die
Ahu-Moai oder die Moai Tangata-Statuetten.
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Statuette,
die die Geisterwelt der "Mutter-Erde" darstellt.
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4. |
"Tangata Manu":
Die Tangata Manu Statuette ist ein anthropomorphes
Wesen aus einem Vogelkopf und einem menschlichen Körper.
Sie ist das hölzerne Abbild eines Vogelmannes, sieht
aber ganz anders aus als die steinernen Abbilder in den
Petroglyphen. Die Tangata-Manu Statuette ist die einzige
hölzerne Statuette auf der Osterinsel, die mit einer
göttlichen Darstellung in Verbindung gebracht wird,
denn der Tangata-Manu repräsentiert den Gott Make-Make
oder zu mindestens das von ihm geschaffene Mischwesen des
Vogelmannes.
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Statuette,
die den göttlichen Vogelmann, Sohn des Gottes "Make-Make"
darstellt.
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5. |
"Moko":
Die Moko-Statuette ist ein anthropomorphes
Wesen einer Eidechse mit menschlichen Gliedern. Eidechsen
galten auf der Osterinsel als unheilvolle Wesen, die von
den Inselbewohnern gerne gemieden wurden. Die Moko-Statuette
wurde von den Priestern als Ritualgegenstand eingesetzt,
um die äußere Hülle einer neu errichteten
Paenga-Hütte vor dem Eindringen der aku-aku Geister
zu schützen. Nach der Einweihungszeremonie wurden jeweils
zwei dieser Statuetten vor dem Eingang der geweihten Hütte
in den Boden gesteckt, später vergraben und nach einem
Jahr verbrannt. Damit wollte man den Geistern keinen Raum
für böse Einflüsse geben.
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Statuette,
die hilft, böse Geisterwesen fernzuhalten oder abzuwehren.
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6. |
"Tahonga":
Bei den Tahonga handelt es sich um Kokosnuss-große
Holzkugeln in unterschiedlichen Darstellungsformen. Teilweise
haben diese Kugeln eine leicht ovale Form, aus denen Köpfe
von Menschen oder Vögel schauen und dadurch wirken,
als würde gerade ein Küken aus einem Ei schlüpfen.
Andere Kugeln haben die Form vom Rückenpanzer einer
Schildkröte, wieder andere zeigen Janus-Köpfe,
also zwei Gesichter. Der einzige Hinweis zum Verwendungszweck
dieser Kugeln kommt von Katherine Routledge 1919. Demnach
wurden die Kugeln den Poki-Mau Kindern im Anschluss der
Initiationsriten um den Hals gehängt um damit zu symbolisieren,
dass die Fruchtbarkeit für neues Leben beginnt.
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Schmuckkugeln
für die "Take-Manu" - Initiationsriten.
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7. |
"Rei-Miro":
Rei-Miro Brustschilder haben die Form einer
liegenden Mondsichel, die sich Männer von Rang vor
ihre Brust gehängt haben. Zumeist haben die Brustschilder
an ihren spitzen Enden zwei kleinere Sichel in Form eines
menschlichen Gesichtes, deren Blickrichtungen sich kreuzen.
Kinnbärte an den kleinen Gesichtern deuten darauf hin,
dass ihre Träger von edler Geburt waren. Katherine
Routledge schreibt, die Rei-Miro wurden bei Festveranstaltungen
auch von Frauen getragen, Alfred Métraux schreibt,
die Rei-Miru wurden von ariki-paka (adeliger Herkunft) auch
bei Fruchtbarkeitsritualen für das Wachstum von Kartoffeln
getragen.
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Brustschilder,
Statussymbol für Menschen mit Autorität.
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8. |
"Ao"-Doppelblatt-Paddel:
Bei dem Ao-Doppelblattpaddel handelt es
sich um ein mannhohes Würdezeichen, das seinen Träger
als amtierenden Vogelmann auswies. Dieses Würdezeichen
hatte tatsächlich die Form eines Doppelblattpaddels,
das auch als Wanderstab fungierte. Das obere Blatt zeigt
das bemalte Gesicht des Vogelmanns bei seiner Amtseinführung,
das untere Blatt ist durch ein Phallus-ähnliches Gebilde
verlängert, damit das eigentliche Blatt bei der Benutzung
als Stab nicht den Boden berührt.
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Doppelblatt-Paddel,
das Amtszeichen der religiösen Würde des Vogelmannes.
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9. |
"Rapa"-Tanzpaddel:
Bei dem Rapa-Doppelblattpaddel handelt es
sich um ein rund 90 Zentimeter langes Ritualobjekt, das
Ähnlichkeiten mit den Ao-Paddel der Vogelmänner
hat, aber wesentlich kleiner ist. Diese Paddel wurden von
den Priestern oder Rongorongo-Männern während
ihrer Ritualgesänge und Tänze eingesetzt. Auch
dieses Objekt hat im oberen Blatt ein stilisiertes Gesicht
und am unteren Blatt eine Phallus-ähnliche Verlängerung.
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Tanz-Paddel als Ritualobjekt bei Tänzen von Priestern
und Gottesdiener.
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10. |
"Ua"-Herrscherstab:
Bei dem Ua-Stab handelt es sich um einen
mannshohen Amtsstab, der ausschließlich den Häuptlingen
und Königen als Würdezeichen vorbehalten war.
Am oberen Ende ziert ein Janus-Kopf den Stab, das untere
Ende ist bei einigen Stäben wie ein Spatel geformt.
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Herrscherstab
des Königs und der Clan-Führer.
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11. |
"Paoa"-Kampkeule:
Bei der Paoa handelt es sich um eine etwa
60 cm lange Schlagwaffe in Form eines Knüppels. Wie
bei den Ua-Stäben auch, besitzen diese Knüppel
einen Janus-Kopf als Knauf. Solche Knüppel sind sehr
selten. Möglicherweise waren diese Knüppel Rangabzeichen
bestimmter Krieger.
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Kampfkeule
der Krieger, teilweise auch Repräsentations-Artefakt
bei wichtigen Anlässen.
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12. |
"Rongorongo"-Schrifttafeln:
Die Osterinsel-Kultur ist die einzige Kultur
in Polynesien, die so etwas wie eine Schrift hervorgebracht
haben. Diese Schrift nennt sich Rongorongo und besteht aus
bis zu 600 stilisierten Darstellungen von Vögeln, Fischen,
Pflanzen oder auch anderen Symbolen und anthropomorphen
Wesen. Die Zeichen wurden auf geeigneten Flächen des
harten Toromiro-Holzes angebracht. Verschiedene Linguisten
haben versucht, die Rongorongo Schrift zu entschlüsseln,
doch eine Wortsprache ist es nicht. Alfred Métraux
meint, dass es sich bei den Rongorongo-Zeichen um Gedächtnis-Symbole
zum Auswendiglernen von religiösen Hymnen handelt.
Métraux begründet seine These damit, dass die
Rongorongo-Schüler die Schriftzeichen mithilfe des
Kai-Kai Fadenspiels zu erlernen hatten und wie bei den Kai-Kai
Figuren, jedes Rongorongo-Schriftsymbol ebenfalls mit einem
Vers verbunden war.
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Die Schrifttafeln der Osterinsel.
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13. |
"Moai aringa":
Eine Darstellungsform in der Osterinselkunst,
die bei den Wissenschaftlern bisher wenig Beachtung gefunden
hat, sind die doppelgesichtigen Darstellungen.
Egal, ob es sich bei den auf der Osterinsel vorgefundenen
Artefakten um Holzstatuetten, Würdezeichen, Verzierungen,
Petroglyphen, Felsmalereien, Rongorongo-Zeichen, Familiensteinkunst
oder gar Moai handelt, überall finden sich Darstellungen
mit zwei Gesichtern, bzw. zwei Köpfen. Einige dieser
Darstellungen werden "Moai-aringa" genannt, andere
haben keine spezielle Bezeichnung. Die einzige Ausnahme,
bei denen keine doppelgesichtigen Motive dokumentiert sind,
sind die Tattoos. Dies mag aber der Vergänglichkeit
des Trägermaterials geschuldet sein.
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Vergleich:
Doppelköpfige bzw. doppelgesichtige Artefakte.
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Weitere Holzobjekte von der Osterinsel:
Neben den 12 Hauptkategorien in der Osterinsel-Holz-Kunst
finden sich weitere Einzel-Artefakte, die keiner Kategorie
zugeordnet werden können.
Repliken der Osterinsel-Kunst:
Nachdem "Alexander Salmon jr." 1878 sein Erbe, die
Schaffarm der Osterinsel, angetreten hat, ermutig er die dort
noch anwesenden rd. 120 Rapanui, ihre alte Schnitzkunst wieder
aufzunehmen, um ihre Werke dann an Crew-Mitglieder der vorbei
kommende Schiffe zu verkaufen. Hierdurch hat so manche Replik
auch den Weg in eines der Museen gefunden.
Bücher, die sich
mit der Osterinsel-Kunst beschäftigen:
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Thor Heyerdahl stellt in seinem Buch: "Die Kunst der
Osterinsel" auf 400 Seiten und 328 Seiten Bilder die
gesamte Holz- und Steinkunst der Osterinsel vor. Heyerdahl
nimmt dabei immer wieder Bezug auf die Süd-amerikanische
Kunst. Für Heyerdahl-Anhänger sind die Zusatzinformationen
sehr wertvoll, für Kritiker von Heyerdahl sind die Peru-Informationen
"nervig". |
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Eric Kjellgren stellt in seinem Buch: "Splendid isolation
Art of Easter Island" auf 80 Seiten die Holzkunst der
Osterinsel vor. Co-Autoren sind Jo Anne Van Tilburg und Adrienne
L. Kaeppler. Abgesehen von den Bildern gibt das Buch keine
weiteren Informationen, die bei Thor Heyerdahl in wesentlich
größerem Umfang nachzulesen sind. |
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Dederen Francois "Te Pito", stellt in seinem Buch:
"Corpus-Rapa Nui" auf 588 Seiten so gut wie alle
Holzstatuetten vor, die in Museen und Privatsammlungen zu
finden sind. Hierbei gibt D. Francois nicht nur detaillierte
Informationen über die einzelnen Statuetten, sondern
auch bebilderte Vergleichsinformationen zu den Kopfverzierungen,
Ohrformen oder Aufhänge Vorrichtungen. |
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Dr. Thomas Barthel stellt in seiner "Habilitationsschrift"
von 1958 auf 346 Seiten und 17 Kapiteln die Rongorongo Schrift
unter unterschiedlichen Betrachtungsweisen vor. Hierbei ordnet
Barthel die Zeichen in Kennziffern von 001 bis 799 und bietet
nachfolgenden Forschern im wahrsten Sinne des Wortes die Grundlagen
zur Entzifferung der Osterinselschrift. |
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