Die Petroglyphen-Kunst der Rapanui
auf der Osterinsel
Die Petroglyphen-Kunst der Rapanui auf der Osterinsel
Kurzbeschreibung:
Die auf der Osterinsel befindlichen Petroglyphen
sind in ihrer Machart und in der Formgestaltung sehr unterschiedlich.
Etwa 25 % der Darstellungen sind als Reliefs sehr meisterlich
ausgeführt worden. Der Rest der insgesamt rd. 4000 dokumentierten
Petroglyphen wirkt jedoch oft wie von Laienhand gemacht. Derartige
Darstellungen bestehen entweder aus Gravur-Linien oder einfach
nur aus Ritzungen.
Dr. Georgia Lee, die sich zwischen 1982 und 1986 intensiv mit
den Petroglyphen der Osterinsel beschäftigt hat meinte, die
Reliefbilder und Darstellungen mit Gravur-Linien seien mit einfachen
Steinmeißeln und Schlagsteine erstellt worden. Bei den Ritzungen
sollen die Rapanui spitze Eisenwerkzeuge verwendet haben. Diese
sind demnach erst nach dem Kontakt mit den Europäern entstanden.
Quelle:
- "A visit to Easter Island, or Rapa Nui,
in 1868", J. Linton Palmer,
The Journal of the Royal Geographical Society
Vol. 40 London 1870,
- "Die Oster Insel - Eine Stätte prahistorischer Kultur
in der Südsee 1883", Bericht des Kommandanten,
Kapitänleutnant Wilhelm Geiseler vom 2.
November 1882.
- "Te Pito te Henua; or Easter Island", von William
J. Thomson 1891,
- "The Mystery of Easter Island", Routledge, 1919,
- "Les pétroglyphes de I’Ile de Pâques",
Henri Lavachery, 1939,
- "The Rock Art of Easter Island, Symbols of Power, Prayers
tot he Gods", Dr. Georgia Lee, 1992,
Die Petroglyphen-Kunst
der Rapanui auf der Osterinsel
Die Petroglyphen auf der
Osterinsel zeigen sehr deutlich, was den Menschen früher
einmal wichtig war bzw. mit welchen Themen sie sich hauptsächlich
beschäftigt haben. Die Ausführung in der Machart zeigt
dabei auch, welche Petroglyphen offensichtlich von einflussreichen
Amtsträgern in Auftrag gegeben und von Meisterhand ausgeführt
wurden bzw. welche Petroglyphen von Laienhand angebracht worden
sind.
Wandel der Laienkunst hin zur meisterlichen Ausführung:
Die heute bekanntesten Petroglyphen der Osterinsel befinden
sich am ehemaligen Vogelmann-Kultort Orongo.
Die hier vorhandenen Petroglyphen zeigen, wie sich die Darstellungsform
der so genannten "Tangata Manu" Abbildungen im Laufe
der Zeit verändert haben. Ältere, noch von Laienhand
erstellten Petroglyphen in Gravur-Linienform werden von Meisterhand
geschaffenen Petroglyphen in Form von Reliefs überlagert.
Es drängt sich der Gedanke auf, dass hier dieselben Künstler
am Werk waren, die einst auch die Moai
der letzten Generation erschaffen haben.
Einmalig und meisterlich - "Hau Koka":
Geradezu meisterlich und dazu einmalig von der Motivgestaltung
ist eine Petroglyphen-Ansammlung auf einem Stein im Krater des
Rano Kau und Eingangsbereich zur
Vogelmann-Kultstätte Orongo.
Der Liegeort des Steines trägt den Namen "Hau
Koka" und scheint mit dem Vogelmann-Kult
wenig zu tun gehabt zu haben. Auch an diesem Stein ist zu erkennen,
dass eine alte Tangata-Manu (Vogelmann) Darstellung von einem
Negativ-Reliefbild überlagert wird. Das Motiv des anthropomorphen
Wesens mit dem Schweif ist ansonsten nur auf den Köpfen
der "Moai Tangata" – Holzstatuetten zu finden.
Diese Statuetten sind, anders als die "Moai Kavakava"
Statuetten, als realistische Menschen (Männer) dargestellt.
Die zwei maritimen Fabelwesen an der linken Seite sind als Motiv
ansonsten nur noch auf einigen Paenga-Fundamentsteinen angebracht,
die sich heute im Bereich der Fundstätte "Hous of
Aio" (Nordosten der Insel) befinden.
Petroglyphen die von Laienhand angebracht wurden:
Der überwiegende Teil aller auf der Osterinsel dokumentierten
Petroglyphen scheint jedoch von Laienhand gemacht worden zu
sein. Im folgenden Bild beispielsweise eine Lavaplatte an der
Nordküste bei Omohe. Die hier dargestellten Petroglyphen
zeigen einen Thunfisch, eine Schildkröte, eine Vielzahl
an Augenpaaren und Masken die den Schöpfergott MakeMake
zeigen sowie einige Fruchtbarkeitssymbole in Form einer Vulva.
4600 tassenförmige Mulden als Zähllöcher:
Auf der Osterinsel finden sich mehr als 4600 Mulden, die die
Form und Größe einer tiefen Teetasse haben. Diese
Mulden sind oft in Reihen oder Formationen angebracht. Zu finden
sind sie bei Motiven die mit Legenden oder Sterndeutungen verbunden
sind, aber auch als Markierungspunkte für die Sommer- oder
Wintersonnenwende. Bei einer Vielzahl von Löchern ist ihre
Bedeutung nicht überliefert, andere Löcher sollten
die Mana-Kraft von Kultobjekten schwächen und einige Vertiefungen
sind auch als Halteschalen für Tattoo-Farbe bekannt.
Vulva-Ritzungen mit Symbolkraft:
Auf der Osterinsel sind rund 500 Ritzungen dokumentiert, die
eine Vulva darstellen und sicherlich auf die Fruchtbarkeit des
Menschen bzw. die der Feld- und Meeresfrüchte anspielen.
Die meisten dieser Darstellungen sind von Laienhand gefertigt
und sind an Darstellungen oder Objekte früherer Epochen
angebracht. Die Grafik zeigt einen ca. 80 cm hohen, länglich
runden Stein mit der Bezeichnung "Pu
O Hiro" (Trompete des Hiro). Dieser Stein besitzt natürliche
Einschlusslöcher, von denen einige bei Nordwind einen dumpfen
Ton von sich geben. Die Legende sagt, wenn jemand es schafft,
beim Einblasen von Luft, dem Stein ebenso einen Ton zu entlocken,
dann schwimmen die Fische an die Küste und lassen sich
leicht fangen. Die Anbringung der Vulva-Darstellungen als Wunsch
des Fangerfolgs beim Fischen ist unverkennbar.
Die Vulva-Darstellungen sind ganz offensichtlich mit spitzen
Werkzeugen wie Eisennägel angebracht worden. Solche Nägel
wurden im ausgehenden 18. und eingehenden 19. Jahrhundert von
vorbeifahrenden Schiffen auf die Osterinsel gebracht und gegen
historische Holzartefakte eingetauscht. Mit großer Wahrscheinlichkeit
stammen diese Darstellungen deshalb auch aus dieser Zeitperiode.
Ritzungen aus dem 19. Jahrhundert:
Vornehmlich an der Westküste im ehemaligen Reservat bei
Hanga Roa finden
sich Ritzungen in Stein, die Kanu-Darstellungen aus alter Zeit
ähneln. Außerdem finden sich hier einfache Darstellungen
von Vegetation wie ein stilisierter Bau oder auch Pflanzen.
Mit großer Wahrscheinlichkeit sind diese Darstellung während
der Konzentrierung der Bevölkerung bei Hanga Roa (1896
bis 1965) entstanden. In dieser Zeit durften die Rapanui die
Insel außerhalb Hanga Roas nicht betreten und mussten
unter vielen Entbehrungen in großer Armut leben.
Schändung von Heiligtümern mittels Graffiti:
Vornehmlich während der großen Kriege zwischen 1773
und 1838 wurden von den jeweils siegreichen Kriegergruppen,
Heiligtümer der jeweils unterlegenen Gruppe mittels Graffiti
geschändet. So finden sich beispielsweis im Bezirk des
östlichen Hotu-Iti Verbundes als Graffiti eingeschlagene
Symbole der westlichen Ko Tu’u Allianz in Form von MakeMake
Masken. Umgekehrt befinden sich im Bezirk der westlichen Ko
Tu’u Allianz als Graffiti eingeschlagene Symbole des östlichen
Hotu-Iti Verbundes in Form von Kanu-Darstellungen.
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