Die 5000 Petroglyphen von der Osterinsel
Die Petroglyphen
Auf
der ganzen Welt finden sich wohl nur wenige Stellen, an denen so
viele, so hervorragend herausgearbeitete Petroglyphen auf einem
so engen Raum angebracht sind, wie auf der Osterinsel.
Die Gesamtzahl der Petroglyphen schätzt man auf etwa 5000.
4000
davon sind erfasst und katalogisiert, rund 300 weitere sind bekannt
und viele weitere werden noch im Erdreich oder unter der Vegetation
vermutet.
Erstmalig erwähnt wurden die Petroglyphen 1882 in einem
Bericht von Wilhelm Geiseler.
William Thomson war 1886
der erste, der die Petroglyphen für würdig befand, sie
etwas detaillierter in seinem Bericht zu erwähnen. Katherine
Routledge betrachtete die Petroglyphen 1914 zum ersten Mal
unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten. Henri Lavachery war
1939 der erste, der alleine wegen der Petroglyphen auf die Insel
kam und daran forschte. Führend aber in diesem Bereich ist
die US-Amerikanerin Georgia Lee, die sich im Rahmen eines 5-jährigen
Forschungsprojektes (1981-86) intensiv mit den Petroglyphen beschäftigte
und über diese Arbeit 1992 sogar ein Buch veröffentlichte.
Petroglyphen finden sich am Felsgestein des Rano
Kao, aber auch an Wänden der vielen Inselhöhlen,
in den Ebenen auf erkaltetem Lavagestein, an den Mauersteinen
der Ahu´s, den Moai´s
oder auch an den Pukao´s.
Georgia Lee hat die Petroglyphen kartographiert und in 12 Typen
kategorisiert. Daraus ergibt sich:
Anthropomorphe
Figuren
Motive mit menschlicher Gestalt, darunter auch kleine Moais
oder die affenähnliche Figur, die auf der Mauer des Ahu
in Anakena sehr gut zu sehen ist.
Vorkommen: 141 Stück in der Größe zwischen 15
und 144 Zentimeter
Anthropomorphische
Figuren und Teile daraus
Menschliche Köpfe, Augen und Nasen, Augenmasken, Hände,
Füße, Vulven.
Vorkommen: 1.116 Stück sowohl als Verkleinerungen als auch
in Vergrößerungen der natürlichen Dimensionen,
Augen bis zu 80 Zentimeter, die weibliche Vulva bis zu 130 Zentimeter.
Vogelmänner,
Mensch-Vogel-Kombinationen
Verschiedene Formen des Vogelmannes, auch zwei sich anschauende
spiegelsymmetrische Vogelmänner.
Die Vogelmänner zeigen immer den Körper eines Menschen
und den Kopf und Schnabel eines Fregattvogels im Profil. Der
Fregattvogel ist heute auf der Osterinsel ausgestorben.
Vorkommen: 459 Stück in der Größe zwischen 20
und 166 Zentimeter.
- Vögel
Allgemeine Vogeldarstellungen, Fregattvögel, zweiköpfige
Fregattvögel und Seeschwalben.
Vorkommen: 119 Stück in der Größe zwischen 12
und 200 Zentimeter.
- Meerestiere
Allgemeine Fischdarstellungen, Thunfische, Tunfisch-Schwanzflossen,
Haie, Nadelfische, Schwertfische, Tintenfische, Aale, Schildkröten,
seelöwenähnliche Tiere, Krabben, Hummer, Seetiere
mit Menschenköpfen, Kombinationen verschiedener Meerestiere.
Vorkommen: 264 Stück in der Größe zwischen 20
und 345 Zentimeter.
- Landtiere

Hühner, Eidechsen.
Vorkommen: 18 Stück in der Größe zwischen 40
und 480 Zentimeter.
- Objekte und Ornamente von Zeremonien
Darstellungen vom Rei Miro, Tahonga, Ao, Ua sowie Kopfschmuck.
Vorkommen: 32 Stück in der Größe zwischen 20
und 130 Zentimeter.
Boote
Einfache Boote und Doppelkanus, Kanus mit verlängerten
Hecks, Schilfflöße, europäische Schiffe.
Vorkommen: 266 Stück in der Größe zwischen 10
und 170 Zentimeter.
Objekte
Fischhaken, Äxte, Netze, Hare-Paenga-Häuser, Haus-Basen.
Vorkommen: 431 Stück in der Größe zwischen 16
und 170 Zentimeter.
Geometrische
Figuren
Gerade Linien, parallele Linien, gekreuzte Linien, gekrümmte
Linien, Sterne, Sonnenstrahlen, Kometenschweife, Mondformen,
Kreise, ovale Rundungen, Sonnen.
Vorkommen: 692 Stück in der Größe zwischen 2
und 350 Zentimeter.
Pflanzen
Allgemeine Pflanzenformen, Kürbisse.
Vorkommen: 8 Stück in der Größe zwischen 40
und 50 Zentimeter.
- Andere Petroglyphen
Andere nicht zuordenbare Formen.
Vorkommen: 447 Stück. Außerdem wurden rund 4600 Vertiefungen
in Steinen erfasst, deren Sinn nicht spezifiziert werden kann.
Georgia Lee beschreibt einen Behälter für Wasser,
ein Farbbehälter für Tätowierungsflüssigkeiten
und auch eine Opferschale. 
 Das
bedeutendste Zentrum der Petroglyphen-Kunst befand sich aber am
Vulkanrand des Rano Kau, speziell
am Orongo-Kultplatz. Hier findet sich
mit 12 Metern Länge auch die größte Fläche,
die komplett mit Petroglyphen verziert wurde. Die Petroglyphen
am Rano Kau zeigen vor allem Darstellungen rund um den Vogelmann-Kult
und sind in der Qualität ihrer Ausarbeitung wesentlich besser
als die übrigen auf der Insel zu findenden Felsbilder. Während
die Petroglyphen auf der übrigen Insel zumeist nur eingeritzt
wurden, haben die Steinkünstler am Rano Kau den Stein rund
um die Figuren abgetragen und die Darstellungen somit plastisch
herausgearbeitet. Man vermutet, dass die Darstellungen am Rano
Kau von einer speziellen Künstlergruppe gefertigt wurden,
zumal sie ein hohes Maß an Gleichförmigkeit besitzen.
Die übrigen auf der Insel zu findenden Petroglyphen sind
zumeist einfache Felsritzungen und beziehen sich nicht auf den
Glauben rund um den Schöpfergott Make
Make, sondern mehr auf das Sozialgefüge der Stämme
untereinander. Dargestellt sind beispielsweise rituale, Mythen
oder auch das Alltagsleben, oft aber auch Meerestiere wie die
Schildkröte, den Wal, Haie oder Tintenfische. Viele dieser
Darstellungen sind auch den Rongorongo-Schriftzeichen
ähnlich und einige Wissenschaftler meinen, diese Felsritzungen
seien die Vorläufer der Inselschrift.
40 Prozent aller Petroglyphen und 85 Prozent aller Vogelmann-Darstellungen
befinden sind am Rano Kau rund um den Orongo-Kultplatz.
Im Gebiet der La-Perouse-Bucht finden sich 501 Petroglyphen, 62
Prozent davon sind Darstellungen von Booten oder Fischhaken. In
Anakena sind vornehmlich Meerestiere
abgebildet. Georgia Lee vermutet, dass bestimmte Darstellungen
als Stammeszugehörigkeit oder auch als Territorialzeichen
zu sehen sind.
So wie auch die Tempelanlagen mit den
Moai´s, befinden sich die meisten
Petroglyphen in Küstennähe. Der Grund dürfte das
poröse Lavagestein der Insel sein, auf dem sich kein Regenwasser
hält. Mit Ausnahme der drei Vulkankrater Rano
Kau, Rano Raraku und Rano
Aroi gibt es weder Seen noch Flüsse auf der Insel. Das Regenwasser
sickert sofort in unterirdische Wasserläufe und fließt
dann in Richtung Küste. Speziell an der Südküste
befinden sich eine Vielzahl an Brunnen, aus denen die Ureinwohner
früher brakiges Wasser geschöpft haben. Die ersten europäischen
Besucher waren deshalb auch der Meinung, die
Inselbewohner würden
Meerwasser trinken.
Vergleicht man die Petroglyphen auf der Osterinsel mit denen
anderer polynesischer Inseln, so zeigt sich die größte
Ähnlichkeit noch auf den Marquesas Inseln, denn auch dort
sind viele Steinbilder sehr sorgsam aus dem Fels heraus geschlagen.

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